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Mobbing am Arbeitsplatz: Was sind die Folgen? Was kannst du tun?

Karriereberaterin Silke Grotegut ist bekannt aus Zeit, WeLT, FAZ, Süddeutsche, uvm.
Mobbing am Arbeitsplatz: Was tun?

Vielleicht hast du es selbst schon einmal mitbekommen: Ein Vorgesetzter schießt sich auf einen Kollegen ein, setzt ihn immer wieder unter Druck, führt ihn vor. Andere Kollegen verbünden sich, um eine bestimmte Person psychologisch regelrecht zu terrorisieren. Vielleicht wird ein Individuum bei der Arbeit konsequent ausgeschlossen und verspottet. Und vielleicht hast du es selbst sogar einmal am eigenen Leib erleben müssen: Mobbing am Arbeitsplatz. Häufig kleingeredet, noch häufiger verschwiegen. Dabei können die Folgen für die Opfer verheerend sein. Nicht nur die Karriere, auch die Gesundheit steht auf dem Spiel.

In einem Interview habe ich mit dem Juristen und Karrierecoach Michael Odenkirchen über das Thema Mobbing am Arbeitsplatz gesprochen. Was es bedeutet, wer häufig zum Opfer fällt und was Betroffene unternehmen können – all das und noch mehr haben wir für euch aufbereitet.

Hier der Link zu Michaels Seite: Michael Odenkirchen – Strategien gegen Mobbing, Köln

Interview zum Thema Mobbing am Arbeitsplatz

Silke Grotegut: Hallo Michael, Mobbing am Arbeitsplatz ist einer deiner Coaching-Schwerpunkte, richtig?

Michael Odenkirchen: Ja, das stimmt. Ich bin seit 2007 mit einer Strategien-gegen-Mobbing-Beratung im Internet vertreten und habe seitdem viele Menschen in beruflichen Krisensituationen unterstützen können. Es handelt sich dabei nicht um eine juristische Beratung   hierzu werden zusätzlich Fachanwälte für Arbeitsrecht eingebunden, sondern um strategische Aspekte, wie man sich am besten gegen Mobbing schützen kann: kommunikative Abwehr von Aggressionen / Strategien für den Selbstschutz, Dienstweg für Beschwerden und Inanspruchnahme externer Hilfe und vor allem die Sicherung von Arbeitsergebnissen. Denn die Erfahrung zeigt, dass auch Anwälte nur wenig tun können, wenn sie nicht genug Belege und Beweismaterial für das Mobbing-Geschehen haben. Und genau hier setzt mein Coaching bzw. meine Beratung an.

Silke: Wie bist du zu dem Thema gekommen? Gab es ein Ereignis, was dich besonders bewegt hat?

Michael: Fairness und Gerechtigkeit sowie der Schutz Schwächerer gehörten eigentlich schon immer zu meinem Wertesystem – sonst hätte ich mich wahrscheinlich auch nicht für ein Jura-Studium mit Schwerpunkt Arbeits- und Sozialrecht entschieden. Was dann aber letztlich zur Anti-Mobbing-Beratung geführt hat, war folgendes Erlebnis:

Im Rahmen eines Beratungsauftrags war ich zusammen mit anderen Kollegen*innen bei einem Hamburger Unternehmen im Einsatz. In demselben Bürogebäude befand sich auch eine andere Firma, die ihren Dienstsitz nach Berlin verlegt hatte. In den Büroräumen saßen noch einzelne Mitarbeiterinnen (weinend) in ihren Büros, denen von der neuen Firmenzentrale keine Arbeit mehr zugewiesen wurde. So sollten diese zur Eigenkündigung gezwungen werden. Und genau in diesem Moment ist mir der Gedanke zur Gründung einer Anti-Mobbing-Beratung gekommen. Ich hatte Ideen, wie die Betroffenen die Zeit sinnvoll für sich nutzen und eine gute Verhandlungsposition aufbauen konnten.

Jetzt wirst Du wahrscheinlich entgegnen: Ja, aber Firmen müssen doch das Recht haben, einen neuen Firmenstandort zu wählen und sich von Menschen zu trennen, die diesen Schritt nicht mittragen können. Meine Antwort lautet:  Ja, das stimmt, aber auf eine faire und vor allem rechtlich zulässige Weise, zum Beispiel durch ein faires Abfindungsangebot.

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Was genau ist Mobbing am Arbeitsplatz?

Silke: Mobbing ist ja so ein großer Begriff und auch ein Buzzword. Jeder hat seine eigene Vorstellung davon. Frage an dich als Jurist: Was ist die genaue Definition von Mobbing am Arbeitsplatz?

Michael: Da sprichst Du etwas Wichtiges an, Silke. Der Begriff wird manchmal vorschnell als Druckmittel eingesetzt. Davor kann ich nur warnen. Mobbing wird meist verdeckt und intrigant ausgeführt und wirksame Gegenmaßnahmen müssen dies berücksichtigen. Man sollte also bei seinen eigenen Maßnahmen immer verhältnismäßig vorgehen und nicht vorschnell die Keule „Das ist Mobbing“ herausholen. Nur dann hat man in einem potentiellen späteren Rechtsstreit überhaupt eine Chance.

Aber zurück zum Begriff Mobbing: Mobbing ist dem englischen „to mob“ entlehnt und bedeutet zunächst allgemein „belästigen, anpöbeln“. Im Englischen wird hierfür üblicherweise der Begriff „Bullying“ verwendet im Sinne von „Schikanieren, Drangsalieren“.

Die rechtliche Bewertung von Mobbing ist deshalb schwierig, weil es sich um eine Vielzahl von Verhaltensweisen handelt, bei denen die Einzelhandlung nicht immer die Schwelle der Sanktionierbarkeit überschreitet. Das BAG hat erstmals in seiner Entscheidung v. 15.01.1997, 7 ABR 14/96 – BAGE 85, 56 (58) den Versuch einer Definition unternommen: Danach ist Mobbing „das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitsnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte„.

Wichtig hervorzuheben ist, dass die Einzelhandlungen einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung dienen und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere geschützte Rechte wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen. Die Mobbing-Attacken sollen Betroffene zur Aufgabe ihrer Arbeitsstelle bzw. in eine für den Arbeitgeber (rechts)sichere und kostengünstige Eigenkündigung zwingen.

Mobbing ist zwar immer noch nicht explizit gesetzlich geregelt. In einer bahnbrechenden Entscheidung von 2007 (BAG, 8 AZR 593) hat das Bundesarbeitsgericht aber deutlich gemacht, dass der Begriff „Belästigung“ aus § 3 Abs. 3 AGG (Allg. Gleichbehandlungsgesetz) letztlich auch alle Mobbing-Sachverhalte erfasst. Vorteil der Anwendung des AGG ist es, dass eine erleichterte Beweislast für den/die Mobbing-Betroffene/n besteht. § 22 AGG: „Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grunds vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat„.

Pionier im Bereich Mobbing im Arbeitsleben ist der seinerzeit nach Schweden ausgewanderte Betriebswirt und Diplompsychologe Heinz Leymann († 26. Februar 1999 in Stockholm). Dieser hat auch einen Katalog der 45 Mobbing-Handlungen entwickelt anhand dessen man gut einschätzen kann, ob gegen einen selbst gerichtete Handlungen Mobbing-Charakter haben.

Die häufigsten Mobbing-Handlungen:

  • Gerüchte und/oder Unwahrheiten verbreiten
  • Arbeitsleistung falsch bewerten
  • Ständige Sticheleien und Hänseleien
  • Verweigerung und/oder Unterschlagung wichtiger Informationen
  • Massive u. ungerechte Kritik / Vorwurf der Unfähigkeit
  • Ausgrenzung und/oder Isolierung
  • Beleidigungen
  • Arbeitsbehinderung und Arbeitsentzug

Mobbing kann dabei nicht nur verbal, sondern auch durch abwertende Mimik und Gestik erfolgen.

Wenn Mobber*innen nachweislich Schäden bzw. Rechtsverletzungen verursachen, kann dies natürlich auch zivil- und strafrechtliche Konsequenzen haben. Mögliche Straftatbestände sind zum Beispiel: Sachbeschädigung, § 303 StGB, Datenveränderung und Computersabotage, §§ 303a, 303b StGB, vorsätzliche od. fahrlässige Körperverletzung, §§ 223, 229 StGB, Nötigung, § 240 StGB, Beleidigung, Üble Nachrede, Verleumdung, §§ 185, 186, 187 StGB. Zivilrechtlich kann es um Schadenersatz, Schmerzensgeld oder Widerruf und Unterlassung ehrverletzender Äußerungen gehen.

Wie wird man zur Zielscheibe?

Silke: Wer wird Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz?

Michael: Grundsätzlich kann jeder Opfer von Mobbing werden. Nach Schätzungen sind etwa 15 % der Erwerbstätigen in ihrem beruflichen Umfeld schon einmal gemobbt worden. Nach dem Mobbing-Report von 2002 tragen MitarbeiterInnen sozialer Berufe (SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen, ErzieherInnen, PflegerInnen etc.) das mit Abstand höchste Mobbingrisiko, also ausgerechnet die Menschen, die sich verstärkt um andere kümmern. Außerdem sind Vorgesetzte weit überdurchschnittlich direkt oder indirekt an den Mobbing-Prozessen beteiligt.

Es ist ein Irrtum, dass nur Menschen gemobbt würden, die sich etwa komisch verhalten oder dies sonst irgendwie selbst verschuldet hätten (etwa indem sie während einer Urlaubsvertretung zu stark in den Aufgaben- bzw. Verantwortungsbereich des/der Vertretenen eingegriffen haben).

Es sind oft gerade die freundlichen, sympathischen und leistungsstarken Mitarbeiter*innen, die auf einmal Mobbing ausgesetzt sind. Und die Mobber*innen sind nicht immer starke Persönlichkeiten, sondern im Gegenteil oft schwache Menschen. Denn die Angriffe werden überwiegend subtil und anonym vorgenommen und die Angreifer leugnen häufig ihre Feindseligkeit.

Mobber*innen fühlen sich in irgendeiner Form beeinträchtigt, behindert oder geschädigt bzw. sehen ihre Zukunft gefährdet. Motive/Ängste der Mobber*innen: Soziales Ansehen bzw. Status gefährdet, Arbeitsplatz gefährdet, Handlungs- und Entscheidungsfreiheit gefährdet, Sicherheitsgefühl gefährdet, Neid und Eifersucht auf andere, Konkurrenzangst (Beispiel: Eine neue junge Mitarbeiterin hat sofort gute Karten beim Chef und den Kollegen*innen; die langjährige, ältere Mitarbeiterin fühlt sich bedroht), Profilierung auf Kosten eines anderen; finanzielle Vorteile, wenn der/die Kolleg*in ausscheidet.

Die kontinuierliche Tendenz zur Effizienzsteigerung, Arbeitsverdichtung und Erhöhung von Verantwortung bei gleichzeitig sinkender Arbeitsplatzsicherheit sind ebenfalls ein Nährboden für übersteigertes Konkurrenzverhalten; die Corona-Krise mit drohenden Massenentlassungen in Kern-Industrien und -Wirtschaftsbereichen tut ihr übriges. Mein Schwerpunkt-Kundenbereich: ältere Arbeitsnehmer*innen, die langjährig gut für ihre Unternehmen gearbeitet haben und es plötzlich keinem mehr recht machen können.

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Was sind die Folgen von Mobbing am Arbeitsplatz?

Silke: Wie äußert sich Mobbing am Arbeitsplatz bei den Betroffenen? Was sind die Folgen?

Michael: Mobbing hat extreme Folgen für die Betroffenen. Zunächst erzeugen die verdeckten Attacken Negativ-Gefühle wie Unsicherheit, Stress, Angst oder Wut bei Betroffenen. In der Regel treten spätestens nach 6 Monaten psychosomatische Erkrankungen wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Bluthochdruck, Magen-Darm-Probleme und Infektanfälligkeit, Panik-Attacken etc. auf. Diese Effekte können durch Fehl-/Übergriffe von Personalverantwortlichen, ärztliche Fehldiagnosen und vergebliche juristische Schritte noch verstärkt werden. Ebenso können sich psychische Vorbelastungen verstärkend auswirken. Nach langem Mobbing kommt es dann häufig zu krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, gefolgt von Versetzungen, Angeboten zu einem Aufhebungsvertrag oder Kündigung. Im Extremfall kann es durch das Mobbing auch zu einem Herzinfarkt, zu Suizid- bzw. Suizidversuchen kommen.

Das Mobbing hat darüber hinaus negative Auswirkungen auf das Betriebsklima und die Arbeits-/Leistungsmoral der übrigen Belegschaft. Häufig wird mit Misstrauen und Zurückgezogenheit reagiert. Krankheitsbedingte Fehlzeiten der Mobbing-Betroffenen führen in der Regel zu einer Mehrbelastung der verbleibenden Arbeitnehmer*innen. Für die Unternehmen fallen zusätzlich Lohnfortzahlungskosten und/oder Kosten für Überstunden an. Und die meisten Firmen unterschätzen den Imageschaden bei Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern. Indem Mobber*innen diese Schäden verursachen, verstoßen sie gegen Nebenpflichten aus ihrem Arbeitsvertrag, nämlich alles zu unterlassen, was die Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen könnte.

Was können Betroffene unternehmen?

Silke: Wie komme ich da raus? Kann ich als Betroffene*r von Mobbing am Arbeitsplatz überhaupt etwas tun oder hilft da im beruflichen Kontext nur der Jobwechsel?

Michael: Auch das ist eine gute Frage, Silke. Wenn jemand lange in einer Firma gearbeitet hat, dadurch über wohlerworbene Rechte und Besitzstände verfügt (lange Kündigungsfristen oder Unkündbarkeit), ist der Jobwechsel sicherlich nicht die erste Option. Hier sollte überlegt werden, ob nicht z. B. durch eine Versetzung (am besten des Mobbers) in eine andere Abteilung dem Mobbing die Grundlage entzogen werden kann.

Wichtig ist in jedem Fall, so früh wie möglich eine*n externe*n Coach*in hinzuzuziehen, welche*r unabhängig die Situation betrachten und die weitere strategische Vorgehensweise bzw. die Einschaltung weiterer Fachleute (Ärzte*innen, Psychologen*innen und Rechtsanwälte*innen) koordinieren kann. Ich stelle oft fest, dass sich Betroffene zu spät um externe Hilfe bemühen, weil sie den betriebsinternen Ansprechpartnern zu lange vertraut haben. Diese sind aber oft ebenfalls internen Spannungen und Interessenkonflikten ausgesetzt.

Das soll bitte keinesfalls heißen, dass der interne Dienst- und Beschwerdeweg nicht einzuhalten wäre: Aussprache mit dem/der Mobber*in, Gespräch mit dem Vorgesetzten, Gespräch mit dem nächsthöheren Vorgesetzten, Einschaltung der Personalvertretung, Beschwerde bei der Personalvertretung usw. Denn dass man all die Möglichkeiten ausgeschöpft hat, muss unter Umständen in einem späteren Rechtsstreit nachgewiesen werden.

In einem Coaching würde zunächst die Mobbing-Situation analysiert, also z.B. die Machtverhältnisse und „Seilschaften“ im Betrieb bzw. in der Abteilung, die Motive und Positionen aller Beteiligten und vor allem die Beweislage. Darauf aufbauend können dann strategische Gegenmaßnahmen entwickelt werden: Stabilisierung des/der Mobbing-Betroffenen, Selbstschutz-Maßnahmen wie kommunikative Gegenwehr und Sicherung von Beweisen, Erwirkung möglicher Sanktionen gegen den/die Mobber*innen etc.

Ziel sollte es immer sein, den Mobbing-Konflikt in einen lösbaren (Sach-)Konflikt umzuwandeln. Gleichzeitig ist es wichtig, die Schwachstellen der Mobber*innen zu identifizieren und die Kosten-Nutzen-Bilanz für diese ins Negative zu verschieben. Das Mobbing muss also dem Mobber mehr schaden als dass es ihm/ihr nutzt.

Mobbing-Betroffene sind oft kräftemäßig am Ende. Sie möchten doch „einfach nur arbeiten“, sie möchten „einfach nur, dass es aufhört“. Als Berater ist man dann in der schwierigen Lage, dem/der Betroffenen klarmachen zu müssen, dass er/sie zunächst noch eine Weile genau das machen muss, was er/sie überhaupt nicht möchte: kämpfen, also so zu tun, als ob man den Arbeitsplatz behalten möchte, notfalls eine*n Rechtswalt/Rechtsanwältin einschalten, also einen Prozess riskieren würde. Nur so kann man eine Verhandlungsposition (Drohkulisse) aufbauen, an deren Ende eine Vertragsbeendigung mit einer dem Mobbing-Leiden angemessenen Abfindung steht. Es geht hier nicht um Ethik und Moral, sondern darum, dass das unfaire bis kriminelle Mobbing-Verhalten in einer Währung bezahlt wird, die Firmen verstehen: Geld.

Welche Hilfe können Betroffene von Mobbing am Arbeitsplatz in Anspruch nehmen?

Silke: Gibt es Hilfe für Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz?

Michael: Leider gehen die meisten Rechtsstreitigkeiten um Schadenersatz und Schmerzensgeld für die Mobbing-Betroffenen negativ aus. Das hängt damit zusammen, dass Mobbing nur schwer zu beweisen ist bzw. Beweise nicht rechtzeitig gesichert worden sind. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich also auf jeden Fall, frühzeitig eine externe, unabhängige Beratung in Anspruch zu nehmen und mit dieser die Beschaffung bzw. Sicherung der nötigen Beweismittel zu besprechen.

Es gibt im Internet zahlreiche Anti-Mobbing-Beratungen und auch Anwält*innen, die für das Thema sensibilisiert sind. Dabei sollte allerdings immer bedacht werden, dass Mobbing-Verfahren für Anwält*innen sehr arbeitsintensiv sind und deshalb nicht in jeden Fall gerne übernommen werden.

Besser ist es also, mit gesicherten Beweismitteln (und nur der Inaussichtstellung eines möglichen Prozesses) vorgerichtlich einen guten Vergleich mit dem Arbeitgeber zu erzielen. Und noch ein zusätzlicher Tipp: Wenn Sie noch keine Arbeitsrechtsschutz-Versicherung haben, schließen Sie eine solche bitte unbedingt ab. Im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht muss jede Partei ihre Anwaltskosten selbst bezahlen – selbst wenn sie gewinnt. Am besten wählen Sie eine Versicherung, die den Deckungsschutz auch schon übernimmt, wenn es noch nicht zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie einer Abmahnung gekommen ist.

Schließlich gibt es noch Mobbing-Selbsthilfegruppen. Hier muss aber natürlich jeder für sich selbst entscheiden, ob es ihn/sie emotional unterstützt oder oder eher weiter demotiviert und frustriert. Das ist eine Mentalitätsfrage. Selbsthilfegruppen sind aber auf jeden Fall in der Hinsicht eine Hilfe, dass man das familiäre und Freundes-Umfeld nicht zu stark mit seinen Mobbing-Problemen belastet.

Was sollte man beim Thema Jobwechsel beachten?

Silke: Wann sollte ich den Job wechseln?

Michael: Man sollte / muss den Job wechseln, wenn keine Aussicht (mehr) besteht, die Situation am gegenwärtigen Arbeitsplatz zu verbessern und man darüber krank wird. Es auch emotional stabilisierend, sich berufliche Alternativen und dadurch einen möglichen Ausweg aus der Situation zu verschaffen. Stellen Sie dabei aber sicher, dass Ihnen die alte Firma (bzw. die dortigen Mobber) Ihre neue Perspektive nicht zerstören kann.

Silke: Im Vorstellungsgespräch wird immer nach dem Wechselgrund und -motivation gefragt. Sollte ich offen darüber sprechen?

Michael: Nach meiner Einschätzung sollte das Mobbing-Geschehen besser nicht angesprochen werden. Weichen Sie stattdessen lieber auf „keine weiteren Karrieremöglichkeiten“ etc. aus. Der neue Arbeitgeber kann die Situation in der alten Firma nicht einschätzen oder nachvollziehen und möchte sich keine Probleme einkaufen.

Mehr Infos zum Thema Mobbing am Arbeitsplatz

Silke: Gibt es noch eine Frage, die ich nicht gestellt habe, die aber unbedingt noch beantwortet werden sollte?

Michael: Vielleicht die Frage: Hat man gegen große (übermächtige) Firmen überhaupt eine Chance?

Ja, kann ich da nur sagen. Auch Firmenlenker*innen, Geschäftsführer*innen, Abteilungsleiter*innen, Chef*innen haben Angst vor eigenen Fehlern insbesondere in folgenden Bereichen: Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz und die Datenschutz-Grundverordnung, Gefährdungsbeurteilung nach Arbeitsschutzgesetz (erfasst jede Art von Gesundheitsbeeinträchtigungen, also auch psychische Belastungen), nicht ordnungsgemäße Abführung von Steuern und Sozialabgaben.

Verstöße hier können zu hohen Geldbußen und sogar zu strafrechtlicher Verfolgung führen. Wenn die vorgenannten Themenbereiche also mit dem Mobbing-Geschehen in Zusammenhang stehen, würden diese in einem Prozess u. U. zur Sprache kommen, was nicht im Interesse des Unternehmens läge.

Silke: Kannst du Literatur zum Thema Mobbing am Arbeitsplatz empfehlen?

Michael: Vielleicht noch ein wenig Basis-Literatur für Interessierte:

Esser, Axel / Wolmerath, Martin:  Mobbing und  psychische Gewalt, Der Ratgeber für Betroffene und ihre Interessenvertretung, 10., aktualisierte Auflage , BUND Verlag, 2020, ISBN:  978-3766369789

Wyrwa, Holger: Mobbt die Mobber, So setzen Sie sich gekonnt zur Wehr, Goldmann Verlag, 2006 ISBN:  978-3442168040

Meschkutat / Stackelbeck / Langenhoff:  Mobbing-Report, Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland; Dortmund / Berlin 2002

Zapf, Dieter:  Mobbing in Organisationen – Überblick zum Stand der Forschung, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 1999, Heft 43, 1–25

Leymann, Heinz:  Der neue Mobbing-Bericht,  Rowohlt, Reinbek 1995 ISBN:  978-3499135675

Leymann, Heinz:  Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann, Reinbek 1993, Verlag Wunderlich 2002 ISBN:  978-3499263743

Silke: Michael, vielen Dank für das Gespräch!

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2 Kommentare zu »Mobbing am Arbeitsplatz: Was sind die Folgen? Was kannst du tun?«

  1. „Ich werde gemobbt am Arbeitsplatz“
    Vielen Dank für Ihre interessanten Informationen zum Thema Mobbing am Arbeitsplatz. Wir finden, Betroffene sollten das nicht einfach hinnehmen. Denn dieses Verhalten ist niemals eine Option. Viel besser ist es, das Gespräch mit den Kollegen zu suchen und auch den Vorgesetzten mit einzubinden. Leider haben wir beobachtet, dass Vorgesetzte selbst zu befangen sind um zu helfen. Schalten Sie besser den Betriebsrat ein.
    Allerdings reicht es oft schon, nur das Wort Mobbing zu verwenden. Dann läuten bei Vorgesetzen schon alle Alarmglocken, denn das ist ein Hinweis darauf, dass Ärger für die Abteilung entstehen könnten.
    Wir erlebten Mobbing am Arbeitsplatz und uns war klar, dass wir rasch aktiv werden und uns dagegen wehren mussten. Es macht keinen Sinn, den Mobbing-Attacken mit besonderem Fleiß entgegenzuwirken. Und das, obwohl bei Mobbing-Attacken sehr oft Arbeits-Mängel als Vorwand dienen.
    Aber es ist eine falsche Strategie, diesen ungerechtfertigten Vorwürfen mit noch mehr Engagement entgegenzutreten. Denn das Mobben ist keine konstruktive Kritik, sondern lediglich ein bösartiges Verhalten. Fiese Kollegen versuchen lediglich die Schwachstellen beim Mobbingopfer zu finden und dann Mobbing-Angriffe zu starten, um die betroffene Person zu demütigen.
    Manchmal ist es auch nicht einfach, das Mobbing durch Kollegen von einem normalen Konflikt zu unterscheiden. Denn nicht jeder Streit muss Mobbing bedeuten. Mobbing ist es dann, wenn eine Person systematisch zum Mobbing-Opfer diskriminiert wird. Das Ganze läuft dann zum Beispiel ein halbes Jahr lang und zwar mindestens ein Mal pro Woche. Spontane Streitigkeiten können Sie nicht dazu zählen. Aber gerade diese kommen häufig vor.
    Mobber haben zum Ziel, die gemobbte Person auszustoßen. Die Zusammenarbeit und Kommunikation wird verweigert und man versucht, das soziale Ansehen des Opfers zu schädigen. Wer betroffen ist, muss seine Resilienz stärken und darf sich nicht in die Opferrolle drängen lassen. Setzen Sie sich durch und machen Sie das Verhalten entsprechender Kollegen öffentlich. Es ist nichts, für das Sie sich schämen sollten.

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