Hast du manchmal das Gefühl, ein „Hochstapler“ zu sein? Bist du vielleicht sogar davon überzeugt, dass du deine Stelle – vielleicht sogar als Führungskraft – gar nicht verdienst? Oder dass du deine Position überhaupt nur erreicht hast, weil du allen anderen nur erfolgreich „vorgespielt“ hast, kompetent zu sein?
Dann ist es gut möglich, dass du am sogenannten Impostor Syndrom bzw. Hochstaplersyndrom leidest. Das Wichtigste zuerst: Das Impostor Syndrom ist weit verbreitet und betrifft Menschen aller Schichten, Branchen und Milieus. Auch sehr erfolgreiche Menschen wie Spitzenkräfte, CEOs und Universitätsprofessoren können darunter leiden. Falls du also das Hochstaplersyndrom hast, bist du nicht alleine.
Und – noch wichtiger: Du kannst aktiv etwas dagegen tun!
Unerkannt und unbehandelt kann das Impostor Syndrom dein Leben hingegen stark beeinträchtigen. Was es überhaupt damit auf sich hat und was du tun kannst, erzähle ich dir im Folgenden.
Was genau meint man mit Impostor Syndrom?
Zweifel an den eigenen Fertigkeiten sind erst einmal nichts Krankhaftes und können im Gegenteil sogar gesund sein – wenn sie ausgewogen sind und die Realität nicht außer Acht lassen. Nehmen die Zweifel jedoch Überhand und sind sie irgendwann nicht mehr mit der Realität vereinbar, können sie aber sogar im krassen Widerspruch zu ihr stehen.
Menschen, die am Impostor Syndrom leiden, stellen ihre eigene Kompetenz fundamental in Frage und sind felsenfest davon überzeugt, sich ihren Ruf oder ihre Stelle nur „erschlichen“ zu haben. Sie werden stets von der Angst verfolgt, „enttarnt“ zu werden.
Gedanken wie: „Jetzt ist es raus, jetzt weiß er/sie ganz genau, dass ich eigentlich gar nichts kann“, gehören für Betroffene zum Alltag.
Das Wort „Impostor“ bedeutet im Englischen dabei schlicht Hochstapler, weswegen man in Deutschland auch vom Hochstaplersyndrom spricht. Andere Namen sind Impostor Phänomen, Betrüger-Syndrom oder Imposter-Syndrom.
Das Selbstbild und die Realität klaffen häufig weit auseinander
Beim Impostor Syndrom ist es wichtig, sich zunächst klarzumachen, dass hiermit keine echten Hochstapler gemeint sind. Es bezeichnet nur die Situation von Menschen, die sich selbst so wahrnehmen, obwohl sie für ihren Job gut ausgebildet sind. Nicht selten verfügen Betroffene sogar über ein umfassendes Wissen und gehören damit objektiv sogar zu den Spitzen ihres Fachs.
Von außen ist es sehr schwer, einen Menschen mit Hochstaplersyndrom zu identifizieren. Manche wirken bescheiden und unsicher, während andere wiederum ins Gegenteil ausschlagen und jede Chance versuchen zu nutzen, um sich als „kompetent“ darzustellen.
Das Hochstaplersyndrom kann das Leben von Betroffenen beeinträchtigen
Menschen, die am Impostor Syndrom leiden, werden häufig in ihrer eigenen Entwicklung eingeschränkt – sowohl persönlich als auch karrieretechnisch. Denn ein gesundes Selbstbild bildet die Basis für wichtige Entwicklungsschritte. Wer sich selbst als chronisch „zu schlecht“ einschätzt, traut sich „folgerichtig“ auch nicht zu, neue Herausforderungen anzunehmen.
Es wird eine Unmenge Energie dafür aufgebracht, sich um die eigene Wirkung auf andere Sorgen zu machen und Ängste über eine kommende „Bloßstellung“ immer und immer wieder kreisen zu lassen. Ebenso viel Energie wird benötigt, die selbst wahrgenommene „Inkompetenz“ zu maskieren. Genau diese Zeit und Energie fehlen dann an anderer Stelle.
Vor allem kann das Hochstaplersyndrom auch dazu führen, dass Menschen mit sich, ihrem Leben und ihrer Arbeit nicht (mehr) zufrieden sind. Die mögliche Folge: eine Spirale, die immer weiter eskalieren kann, wenn man nichts dagegen unternimmt.
Mögliche Ursachen und Gründe für das Impostor Syndrom
Beim Impostor Syndrom handelt es sich um eine Störung der Selbstwahrnehmung. Die Gründe dafür sind komplex und für jeden Menschen komplett individuell. Was konkret dahinter steckt, kann nur im Einzelfall eruiert werden, etwa im Rahmen einer Psychotherapie oder eines Coachings.
Einige Muster scheinen jedoch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit die Entwicklung eines Impostor-Syndroms zu begünstigen.
Perfektionismus als Quelle für das Impostor Syndrom?
Es hat sich gezeigt, dass es zwischen dem Impostor Syndrom und Perfektionismus viele Parallelen gibt.
Im Kern handelt es sich beim Impostor Syndrom ebenso wie beim Perfektionismus um eine verzerrte Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten, die oftmals verbunden ist mit einem schwach ausgeprägten Selbstvertrauen.
Betroffene setzen die Standards an ihre eigenen Leistungen extrem hoch, sodass sie selbst unter größten Anstrengungen kaum oder nur mit größter Mühe überhaupt erreichbar sind. Dies führt dazu, dass diese Menschen oft 110 % geben, um die selbst gesteckten hohen Erwartungen irgendwie zu erfüllen.
Selbst dann, wenn das Erbrachte im Vergleich mit anderen exzellent ist, werden die eigenen Erwartungen nur selten erfüllt. Perfektionisten sind chronisch mit sich selbst unzufrieden.
Auch Naturtalente können betroffen sein
Manche Menschen vollbringen Dinge ohne große Anstrengung oder Vorbereitung, die andere nur mit sehr viel mehr Aufwand erreichen könnten. Solche Naturtalente laufen ebenfalls häufiger in Gefahr, ein Hochstaplersyndrom zu entwickeln.
Wir vergleichen uns schließlich häufig mit den Menschen um uns herum. Stellen wir fest, dass wir viel weniger investieren (müssen), können sich Zweifel an der „Legitimität“ der eigenen Kompetenz einstellen.
Wichtig ist jedoch auch hier sich vorzuhalten, dass am Ende die tatsächlichen Leistungen entscheidend sind. Wenn du also zum Beispiel sehr schnell in einem bestimmten Feld gut bist, bedeutet das nicht, dass du grundsätzlich an deinen Leistungen zweifeln musst.
Was tun gegen das Impostor Syndrom?
Wenn du der Ansicht bist, dass du unter dem Impostor Syndrom leidest, hast du einen ganz wichtigen Schritt bereits getan: Einsicht. Sich deines möglichen Problems bewusst zu werden, ist die Voraussetzung für alles weitere und ermöglicht es dir überhaupt, darauf angemessen zu reagieren.
Wie bei vielen anderen Störungen, die die Selbstwahrnehmung betreffen, kann es auch beim Hochstaplersyndrom hilfreich sein, zu versuchen, deine Situation objektiv zu bewerten. Beispielhaft dafür sind:
- Anforderungen überprüfen
Checke die Anforderungen, die du an dich und deine Leistung stellst. Findest du sie fair gemessen am Aufwand? Würdest du sie auch von jemand anderem erwarten?
- Das Erreichte neu evaluieren
Blicke noch einmal selbst auf deine Erfolge und Leistungen zurück und bleibe dabei möglichst objektiv. Vergleiche die Fakten mit deinen Gefühlen dazu. Wie würdest du das Erreichte bewerten, wenn dir beispielsweise ein guter Freund davon erzählen würde? Wenn du es positiver bewerten würdest, ist das ein guter Hinweis dafür, dass du dich selbst unfair behandelst.
- Andere um eine Einschätzung bitten
Andere Perspektiven erfahren und einnehmen kann ebenfalls dabei helfen, ein neues, gesünderes Selbstverständnis zu gewinnen. Freunde, Verwandte, der Partner oder auch Arbeitskollegen können ihre Ansichten teilen, die du dann mit deinen eigenen Ansichten über dich selbst vergleichen kannst. Vielleicht hältst du dich selbst für unbegabt, aber alle um dich herum halten dich für eine Koryphäe?
Und dann noch ein ganz wichtiger Tipp zum Schluss: Wenn das Problem dich belastet und du nicht weiterweißt: Suche dir Hilfe! Das kann sowohl eine Psychotherapie sein als auch ein Coaching. Trotz des Stigmas um dieses Thema ist es keine Schande!
Apropos Coaching: Melde dich gerne, falls du Fragen zu dem Thema hast oder mich um eine Einschätzung bitten möchtest. Ich und mein Team helfen Menschen schon seit vielen Jahren dabei, ein gesundes Selbstwertgefühl aufzubauen, wenn es etwa um ihre Performance am Arbeitsplatz oder um Selbstbewusstsein im Bewerbungsgespräch geht.