Der Bewerbungsprozess ist für Menschen mit Behinderungen häufig komplexer als für andere. Neben ihrer Einschränkung haben sie nämlich oft viele Fragen, ob und wie sie die Schwerbehinderung in der Bewerbung zur Sprache bringen. In diesem Blogartikel werfe ich einen Blick auf einige der zentralen Fragen, mit denen Bewerber mit Schwerbehinderung konfrontiert sind und gebe zusammen mit Rechtsanwalt Benjamin Biere Tipps zum Umgang mit einer Schwerbehinderung bei Bewerbungen.
Muss ich meine Schwerbehinderung bei bei meinem Arbeitgeber angeben, ja oder nein?
Das ist eine der häufigsten Fragen, die mir Klient:innen im Coaching stellen. Manche sind gerade auf der Suche nach einem neuen Job und fragen sich, ob sie diese Information bereits in den Bewerbungsunterlagen preisgeben sollen oder gar müssen. Andere sind z.B. durch eine Krankheit oder einen Unfall plötzlich mit einer Schwerbehinderung konfrontiert und sind sich unsicher, ob sie verpflichtet sind, ihren Arbeitgeber zu informieren.
So erging es auch einer meiner Klientinnen, ich nennen sie hier mal Rosa. Rosa ist eine promovierte Physikerin, die zusätzlich auch noch Medizin studiert hat und seit vielen Jahren für ein Unternehmen in der Medizintechnik arbeitet. Vor drei Jahren ist sie schwer an Brustkrebs erkrankt und hat seitdem einen Schwerbehinderungsgrad von 80%. Ihrem Arbeitgeber gegenüber hat sie die Schwerbehinderung angegeben, denn das hat auch einige Vorteile – für sie selbst und auch für ihren Arbeitgeber. Nun aber will sie sich neu bewerben und hat Sorge, dass die Schwerbehinderung ihre Chancen schmälert.
Diese Frage habe ich zum Anlass genommen, mit Benjamin Biere zu sprechen. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner in der Kanzlei Krebühl und Biere in Frankfurt. Als Kooperatationspartner tauschen wir uns regelmäßig zu relevanten Fragen aus. Auch, wenn ich als HR Mitarbeiterin mich regelmäßig mit arbeitsrechtlichen Fragen beschäftigen musste, so finde sehr schätze ich die Unterstützung durch die jeweiligen Experten.
Muss ich bei der Bewerbung meine Schwerbehinderung angeben?
BENJAMIN BIERE: Nein, in der Regel nicht. Das ist nur notwendig, wenn die Schwerbehinderung die Erbringung der beabsichtigten Arbeitsleistung beeinträchtigen würde. Dann kann im Einzelfall eine Pflicht bestehen, hierauf hinzuweisen.
Sollte ich im Vorstellungsgespräch auf die Schwerbehinderung eingehen?
BENJAMIN BIERE: Im Einzelfall mag es im Interview angezeigt sein, auf die Schwerbehinderung zu sprechen zu kommen, wenn, wie gesagt, die Schwerbehinderung die Erbringung der Arbeitsleistung beeinträchtigt. Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn regelmäßige Behandlungstermine mit den Arbeitszeiten in Einklang gebracht werden müssen. Hier ist ein offener Umgang oft hilfreich. Es besteht aber weder in den Unterlagen noch im Interview eine Angabepflicht.
Darf ich lügen, wenn ich nach einer Schwerbehinderung gefragt werde?
BENJAMIN BIERE: Ja, wenn die Schwerbehinderung einer konkreten Beschäftigung nicht entgegensteht, darf ich die Frage immer mit „nein“ beantworten. Denn diese Frage greift tief in den ganz persönlichen Bereich des Persönlichkeitsrechts ein und ohne das Recht zur Lüge, wäre ein Arbeitnehmer solchen übergriffigen (weil unzulässigen) Fragen schutzlos ausgesetzt.
Muss ich meinen Arbeitgeber über eine Schwerbehinderung informieren?
BENJAMIN BIERE: Nein, auf gar keinen Fall. Als Arbeitnehmerin mit einer anerkannten Schwerbehinderung wird man sich erst einmal mit den Chancen und Erleichterungen, die dieser Status mit sich bringt, auseinandersetzen müssen. Will man diese in Anspruch nehmen, kommt man aber nicht darum herum, den Arbeitgeber über das Vorliegen der Schwerbehinderung zu informieren. Allerdings betrifft das nur den Grad der Schwerbehinderung, nicht jedoch die einzelnen Gründe hierfür. So kann man insbesondere 5 Tage Zusatzurlaub erhalten oder sich auf besonderen Schutz bei Kündigungen berufen. Das setzt aber voraus, dass Arbeitgeber von der Schwerbehinderung weiß.
Erwachsen mir Nachteile daraus, wenn ich den Arbeitgeber nicht informiere?
BENJAMIN BIERE: Streng genommen ja, weil die Arbeitnehmerin sich nicht auf ihre Zusatzrechte berufen kann, aber auch nicht darauf, dass ihre Belange als Schwerbehinderte besonders berücksichtigt werden.
Welche Vorteile habe ich arbeitsrechtlich mit einer Schwerbehinderung?
BENJAMIN BIERE: Es gibt gleich mehrere Vorteile aus arbeitsrechtlicher Sicht. So erhalten Schwerbehinderte 5 Tage zusätzlichen Urlaub. Außerdem genießen Menschen mit einer Schwerbehinderung einen höheren Kündigungsschutz. Jedoch muss dazu der Arbeitgeber Kenntnis davon haben. Bei einer Kündigung muss dem Arbeitgeber spätestes innerhalb von 3 Wochen Mitteilung über die Schwerbehinderung gemacht werden, damit das Integrationsamt einbezogen werden kann und muss. Gibt es eine Schwerbehindertenvertretung muss auch diese bei einer Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmerinnen beteiligt werden.
Habe ich diese Vorteile auch, wenn ich meinen Arbeitgeber nicht informiere?
BENJAMIN BIERE: Nein, wenn ich Vorteile in Anspruch nehmen möchte, muss ich immer auch die Berechtigung hierfür nachweisen.
Welche Vorteile hat der Arbeitgeber, wenn er Menschen mit einer Schwerbehinderung einstellt?
BENJAMIN BIERE: Arbeitgeber müssen gesetzlich vorgegebene Quoten für die Beschäftigung Schwerbehinderter Menschen erfüllen. Alternativ könnten sie eine Ausgleichsabgabe zahlen. Umsichtige und gut beratene Arbeitgeber bemühen sich daher offensiv darum, auch Schwerbehinderte Menschen einzustellen oder ermutigen dazu, dass ihre Beschäftigten etwaige Schwerbehinderungen offenlegen. Die eingesparte Ausgleichspauschale wiegt die gewährten Vorteile, wie z.B. den Zusatzurlaub meist mehr als auf.
Welche Tipps geben Sie als RA Menschen mit Schwerbehinderung?
BENJAMIN BIERE: Machen Sie sich mit Ihren Rechten und Möglichkeiten vertraut, die eine Schwerbehinderung bietet. Betrachten Sie diesen Status nicht als Bürde, sondern als Chance. Fragen Sie ggf. beim Betriebsrat nach, ob die Schwellenwerte für die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung erreicht sind.
SILKE: Vielen Dank für das Gespräch und vor allem für die Infos.
Auch, wenn ich lange im Personalbereich gearbeitet habe, so bin ich doch froh, dass ich mit Krebühl und Biere eine Partnerkanzlei an meiner Seite habe, die ich jederzeit ansprechen kann, wenn ich mir nicht 100%ig sicher bin und an die ich meine Klienten mit gutem Gewissen verweisen kann. Wenn du also arbeitsrechtliche Unterstützung benötigst, egal, ob es um Schwerbehinderung, Kündigung oder Vertragsgestaltung geht, dann kontaktiere gerne meine professionellen Kooperationspartner Krebühl und Biere in Frankfurt. Sie beraten in allen Fragen des Arbeitsrechts, und zwar ausschließlich auf Arbeitnehmer- und Betriebsratsseite.
Wenn du unsicher bist, wie du mit Schwerbehinderung, Lücken im Lebenslauf, fehlende Qualifizierung oder ähnlichem in der Bewerbung, im Interview umgehen sollst, dann melde dich gerne für mein kostenfreies Kennenlerngespräch an. Ich helfe dir gerne!