
Herzinfarkt! Für mich war die Diagnose eindeutig: Mein linker Arm fühlte sich taub an, die Brust zusammengeschnürt wie von einem Eisenring. Panik stieg in mir auf. Es war ein Sonntag, und ich bin, wenn ich mich richtig erinnere, noch mit dem eigenen Auto ins Krankenhaus gefahren. Am nächsten Morgen um sechs Uhr sollte der Flieger für die Dienstreise nach Berlin starten. Wie konnte mein Körper mich nur so im Stich lassen? Das war damals der Moment, in dem mir klar wurde, dass sich etwas verändern musste.
Diagnose Burnout: Was jetzt?
Dass mein Körper keinen anderen Weg mehr sah, mir eine dringende Botschaft zu senden – das habe ich erst viel später gemerkt. Im Krankenhaus lautete die Diagnose: Es gibt keinen Herzinfarkt. Meine Organe funktionierten einwandfrei. Keine Medikamente, keine Operation konnte mir helfen, sondern ich musste mein Leben ändern. Die Dienstreise am nächsten Morgen habe ich nicht angetreten. Stattdessen musste ich mich mit dem Thema Burnout auseinandersetzen und den Hilferuf meines Körpers endlich ernst nehmen.
Auch wenn ich den Tag mit dem vermeintlichen Herzinfarkt nie vergessen werde – den klassischen Wendepunkt, an dem plötzlich alles ganz klar ist, gab es für mich nicht. Der Weg in ein anderes, besseres Leben war verschlungen, er hatte Sackgassen und Umwege. Heute weiß ich, dass das normal ist und Wandel Zeit braucht.
Wann ist es Zeit zu gehen?
Schließlich war mir schon seit längerem klar, dass die Arbeit im Dax-Konzerns mich immer weniger ausfüllte. Eine Umstrukturierung kam nach der anderen, ich hatte kaum noch Freiräume, um meine eigenen Ideen umzusetzen. Aber dafür verdiente ich schließlich als Personalexpertin gutes Geld, hatte Karriere gemacht. Meine Position brachte mir Anerkennung bei Familie und Freunden. Arbeit war für mich Pflichterfüllung, darauf war ich stolz, so bin ich aufgewachsen. In meiner Familie arbeiteten über Generationen hinweg alle Mitglieder selbstständig. Meine Eltern hatten ein Taxiunternehmen und selbst an Heiligabend lief das Geschäft weiter, es musste weiterlaufen. Spaß an der Arbeit? Dieser Gedanke spielte nie eine Rolle. Ich saß in der Karrierefalle.
Alarmsignale zu ignorieren rächt sich
Und so quälte auch ich mich mehr und mehr durch den Joballtag. Dazu kamen ständig neue Krankheiten: Rückenschmerzen, blockierte Nasennebenhöhlen, Blasenentzündung – ich kümmerte mich um die Symptome, wollte aber die wahre Ursache der Probleme noch nicht wahrhaben. Selbst nach der Diagnose „Burnout“ konnte ich nicht von heute auf morgen loslassen. Von den 14 Jahren, die ich für den Konzern gearbeitet hatte, waren viele auch gute Jahre. Der Abschied war notwendig, aber er schmerzte.
Darf ich meinen sicheren Job aufgeben?
Den Neuanfang hat mir dann meine Ärztin für traditionelle chinesische Medizin mit einem Satz ermöglicht, der für mich sehr viel bedeutet. „Das Leben ist nicht dazu da, etwas auszuhalten, sondern das eigene Potenzial zu nutzen“, sagte sie zu mir. Da war sie endlich: die Erlaubnis, das alte Leben nicht mehr aushalten zu müssen und etwas Neues zu wagen. Den sicheren Job aufgeben ist tatsächlich manchmal die bessere Entscheidung. Und ein ungerader Lebenslauf kann auch gute Seiten haben. Ich kündigte meinen Job aber nicht Hals über Kopf, sondern nach gründlicher Beratung und Vorbereitung.
Emotionale Achterbahnfahrt ist normal
Danach kam allerdings nicht die große Euphorie, sondern erst einmal ein tiefes Loch. Was sollte ich mit 45 Jahren jetzt tun? Was denken die Menschen in meinem Umfeld? Bin ich gescheitert? Nach einigen Monaten Auszeit habe ich mich auf Stellen in den Personalabteilungen anderer Firmen nach dem Burnout beworben. In der Position kannte ich mich schließlich aus, es erschien mir als die sichere Variante.
Aber schon beim Zusammenstellen meiner Unterlagen fühlte ich mich bedrückt, es wurde mir regelrecht eng ums Herz. Kein Wunder: Denn was sollte sich in einem neuen Unternehmen an meiner beruflichen Stellung wirklich ändern? Es wären vermutlich die gleichen Zwänge, die gleiche Fremdbestimmung und der gleiche Druck gewesen. Nie wieder wollte ich Angst davor haben, morgens mein Email-Fach zu öffnen, in dem sich die großen und kleinen Katastrophen des Konzerns zu einer persönlichen Bedrohung angesammelt hatten. Ich wollte gerne für meine eigenen Entscheidungen Verantwortung tragen, aber nicht für die eines Systems, auf das ich keinen Einfluss hatte. Die gleiche Arbeit im neuen Umfeld – das reichte als Veränderung nicht aus. Der Schritt musste größer sein. Sollte ich die berufliche Neuorientierung wählen?
Was ist eigentlich wichtig für mich?
An dieser Stelle haben mir nicht nur meine Familie und Freunde, sondern auch professionelle Berater geholfen. Ich hatte ein ganzes Team von Unterstützern, und die brauchte ich auch. Ratschläge von Freunden, etwas kürzer zu treten, habe ich jahrelang einfach überhört. Jetzt war ich bereit, ihre Hilfe auch anzunehmen. Bei einem Karriere-Coaching fand ich heraus: Die Arbeit mit Menschen im Personalbereich war trotz aller Probleme im bisherigen Job das richtige Berufsfeld für mich. Ich berate gerne und bin gut darin, kreative Lösungen zu finden. Ganz klar kam in diesem Coaching auch heraus, dass Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum extrem wichtig für mich ist. Außerdem brauche ich die Möglichkeit, frei über meine eigene Zeit zu verfügen, so dass ich mir Auszeiten nehmen kann, wenn ich sie brauche.
Was kann ich aus meinen Kompetenzen machen?
Selbst als Coach arbeiten? Dieser Wunsch nahm immer mehr Gestalt an. Eigentlich passte alles, aber am Anfang waren viele Zweifel. Der Markt ist doch schon voll mit solchen Angeboten, sagte ich mir. Und Geld lässt sich mir dieser Form der Beratung vermutlich auch kaum verdienen. Es gab viele Fragen. Schließlich habe ich zusammengetragen, was ich dafür alles mitbringe.
- Viel Erfahrung in der Beratung von Führungskräften und Mitarbeitern in beruflichen Kontexten
- Ich hatte viele Auswahlprozesse gesteuert und darin Unterlagen gesichtet sowie Interviews geführt
- Ich hatte drei Coachingausbildungen.
- Ich selbst habe in meiner Karriere zweimal eine neue Richtung eingeschlagen, ich wusste daher, wie sich das für Klienten anfühlt, wenn man zwar weiß, dass das alte nicht mehr trägt, das neue aber noch nicht sichtbar ist.
Der Sprung in die Selbständigkeit
Dann habe ich es gewagt und der Mut hat sich gelohnt. Heute arbeite ich nach meinem eigenen Rhythmus, selbstbestimmt und unabhängig von Konzern-Hierarchien. Ich entscheide, mit wem ich zusammenarbeiten möchte und welche Lösungswege ich einschlage. Fünf Jahre arbeite ich jetzt als Karriere-Coach. Die Anfangszeit war harte Arbeit. Alle, die ganz entspannt 6-stellige Beträge bei einer vier Stunden Woche zu verdienen behaupten, sind definitiv nicht im Coaching Business. Mittlerweile läuft mein Geschäft aber sehr gut. Zeitweilig muss ich schon das Schild „Ausgebucht“ raushängen. Arbeit ist für mich keine Last mehr, sondern eine Sinn stiftende, kreative Aufgabe, aus der ich Energie ziehe.
Der Kindheitstraum ist wahr geworden
Auch wenn es bis zur Mitte meines Berufslebens gedauert hat, habe ich mir mit der Selbstständigkeit als Coach eine Art Kindheitstraum erfüllt. Andere Menschen beraten und ihnen damit zu helfen – das hat mich schon früh fasziniert. Meine Großmutter musste mir immer wieder aus einer Kinderbibel die Geschichte von Josef vorlesen, der erst von seinen Brüdern ausgesetzt wurde und später zum Traumdeuter und Berater des Pharaos aufstieg. Du kennst Josef sicher auch. Das ist der, der die „sieben fetten und sieben mageren Jahre“ voraussah. Das hat mich als Kind total beeindruckt. Schon damals dachte ich: „Die ganz Großen beraten, das will ich auch“. Und heute tue ich das als Coach und Berater. So schließen sich manche Kreise.
Mein schönes neues Leben
Mit der Arbeit hat sich auch mein Leben verändert. Die Rückenschmerzen sind komplett verschwunden. Andere Symptome haben sich in den vergangenen Jahren deutlich abgeschwächt. Ich habe gelernt, Signale meines Körpers besser und vor allem früher zu verstehen. Statt im Flieger nach Berlin starte ich den Tag heute oft mit einem Spaziergang am Rhein. Ich arbeite heute immer noch sehr viel. Ich muss aber nicht mehr so viel Energie aufwenden, Strukturen und Rahmenbedingungen auszuhalten, die mir nicht entsprechen. Ich lege mir feste Termine für Yogastunden und Saunabesuche. So behalte ich meine Kraft, wie ich es auch in meinem Artikel „Arbeitslosigkeit sinnvoll nutzen“ beschreibe. Statt schnellem Kantinenessen kümmere ich mich mehr um meine Ernährung. Ganz ehrlich: Ab und zu erwische ich mich auch dabei, in alte Muster zurückzufallen. Aber jetzt merke ich das und komme auch schnell wieder heraus.
Ganz besonders hilft mir dabei der Austausch mit meiner Freundin und Erfolgspartnerin Sandra Liane Braun. Jeden Montag morgen treffen wir uns online und stellen uns gegenseitig folgende Fragen:
- Was geht dir gerade durch den Kopf?
- Was liegt dir im Magen?
- Was liegt dir am Herzen?
Wir reflektieren die vergangene Woche, feiern gemeinsam Erfolge und besprechen, was wir uns für die Woche vorgenommen haben. So fällt gleich auf, wenn wir uns (mal wieder) zu viel aufladen. Sandra ist übrigens professionelle Gedankensortiererin. „Raus aus dem Stress, rein ins Leben“ – unter diesem Leitspruch hilft sie Menschen, die von sich sagen: Ich kann nicht mehr. Diesen Artikel habe ich im Rahmen ihrer Blogparade: „Mein schönes Leben“ geschrieben. Auf Ihrem Blog findest du weitere Geschichten von Menschen, die ihrem Leben eine neue Richtung gegeben haben.
Ist mein Leben jetzt glücklicher? Eindeutig ja.
Liebe Silke,
was bin ich froh, dass ich Dich habe!
Und wieder mal hast Du eine wundervolle und authentische Mutmach-Geschichte geschrieben. Toll, dass sie Teil meiner Blogparade ist!
Danke, dass Du mich vor über zwei Jahren gefragt hast, ob ich Deine Tandem-Partnerin sein möchte!
Liebe Grüße
Sandra
Liebe Silke,
das Leben schenkt uns Chancen auch wenn diese sich erst einmal als lieblos verpacktes und ungewolltes Geschenk präsentieren. Auch ich sage meinen Patienten immer „Mach etwas daraus“. Auch ich durfte schon das eine oder andere Chancengeschenk auspacken. Daher habe ich heute ein Lebensmotto, dass da lautet „Alles ist für mich“. Vergesse ich es einmal, wenn sich eines dieser Geschenke zeigt, dauert es nicht lange und ich erinnere mich und dann suche ich die Chance in diesem ungeliebten Geschenk. Schön, dass wir gemeinsam am Projekt „Mutmach-Geschichten für Dich“ von Sandra Liane Braun teilgenommen haben.
Alles Liebe
Annette
Liebe Annette, „alles ist für mich“ das finde ich ein schönes Motto. Und es klingeln bei mir überhaupt keine Glocken, dass das egoistisch sein könnte. Ich habe Einfluss darauf, wie ich die Welt sehe, wie ich die Welt bewerte und was ich daraus machen. Jede neue Situation ist eine Aufforderung, das beste für mich daraus zu machen. Und es heißt ja auch nicht, dass die Interessen anderer damit verletzt werden. Danke für diese schöne Inspiration, die bestimmt vielen als Mutmacher dient. Hier ist klauen ja erlaubt 😀. Liebe Grüße – Silke
Das lässt sich super lesen, ist überzeugend und inspirierend. Ich habe Sie gerade bei Marike Frick erlebt und war wirklich sehr angetan von Ihnen – von allen drei.
Jetzt gilt es zu überlegen und zu schauen, ob ich durch diesen Kurs gehe.
Herzliche Grüße und weiterhin alles Gute
Liebe Frau Berg, vielen Dank für Ihr Feedback. Ich wünsche Ihnen eine gute Entscheidung. Silke Grotegut