Loading...

Berufliche Neuorientierung – So minimierst du das Risiko zu scheitern

Karriereberaterin Silke Grotegut ist bekannt aus Zeit, WeLT, FAZ, Süddeutsche, uvm.
Berufliche Neuorientierung, Frau vor einer Tafel auf der Pfeile gezeichnet sind, die Gedanke symbolisieren

„5 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland haben innerlich gekündigt“, das war vor einiger Zeit in der FAZ zu lesen. Was für eine Zahl! In dem Artikel stand, die Mitarbeiter machten nur noch Dienst nach Vorschrift. Viele trauten sich aber nicht zu kündigen und verharrten daher unglücklich in ihrem Job.

Aber was ist die Alternative? Die Karriere beenden und beruflich etwas ganz Neues machen? Eine berufliche Neuorientierung? Das wollen viele. Aber wo geht es hin? Wie wird man konkret? Was muss alles passieren? Und wie schaffst du es, eine solche berufliche Veränderung erfolgreich zu meistern?

Gründe für eine berufliche Neuorientierung

Unzufriedenheit im Job und der Wunsch nach beruflicher Neuorientierung kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Hier ein paar Klassiker aus meiner Coaching-Praxis

  • „Ich möchte endlich beruflich etwas Sinnvolles tun“
  • „Ich kann aus gesundheitlichen Gründen meinen Job nicht weitermachen“
  • „Die Kinder sind aus dem Haus, das Haus ist abbezahlt. Ich würde gerne etwas downgraden.“
  • „Ich fühle mich in meiner Firma nicht mehr wohl. Der Job passt nicht mehr zu mir.“

Auch ich kenne diesen Wunsch, sich beruflich neu zu orientieren. Einmal habe ich tatsächlich einen kompletten Neuanfang gewagt. Das war als ich dreißig war. Da habe ich mich von meinem Job als Altlastensaniererin verabschiedet und bin in den Personalbereich gewechselt.

Eine zweite große Veränderung stand 2015 an, als ich die Deutsche Telekom verlassen habe. Auch da wollte ich zunächst beruflich etwas ganz anderes machen. Aber mit 45 Jahren einen Quereinstieg in einen ganz anderen Bereich?

Berufliche Neuorientierung: Radikaler Neuanfang?

Manche möchten gerne eine Komplettveränderung, nicht nur einfach den gleichen Job in einer anderen Firma oder in einer anderen Branche, sondern sich wirklich beruflich neu orientieren und etwas ganz anderes machen.

„Ich habe keinen Bock mehr. Ich mache jetzt etwas ganz anderes.“

 

Kleines Lamm auf einer Wiese
Mein Traum war es immer, Bäuerin zu werden. Foto: Mustang_79 auf pexels

Damals, als ich nach 14 Jahren meinen gut bezahlten, sicheren Job im Konzern aufgegeben habe, wollte ich Biobäuerin werden. Als Kind habe ich viel Zeit bei meinen Großeltern auf dem Hof verbracht. Dort habe ich Schafe mit der Flasche aufgezogen, Kälber gefüttert, bin mit dem Hund spazieren gegangen, habe die Hühner gefüttert – es war herrlich! Und so dachte ich: „Das ist doch jetzt die Chance, endlich das zu machen, was ich schon als Kind machen wollte!“

Kindheitsträume in die Tat umsetzen?

So wie mir geht es vielen Menschen. Der eigene Job hängt einem so zum Hals heraus, dass sich schon bei der Vorstellung, wieder das gleiche in einer anderen Firma zu machen, der Hals zusammenschnürt.

Banker wollen Heilpraktiker werden, Marketing-Fachleute möchten Yogalehrer werden. Das Neue hat einen großen Reiz. Aber eine komplette Neuausrichtung birgt auch Risiken und sollte daher gut überlegt sein. Ich habe mich gegen eine komplette berufliche Neuorientierung entschieden. Stattdessen habe ich mich entschieden, in einem angrenzenden Bereich der Personalarbeit weiterzuarbeiten: Spiralkarriere nennt man das auch.

Zuvor habe ich mich ausführlich damit beschäftigt, was mir wichtig ist, wo meine Talente sind, was mich interessiert. Und da stellt sich schnell heraus, dass das Thema Personal nicht der Grund war, die Telekom zu verlassen. Sondern für mich war die Arbeit in einem Konzern einfach nicht mehr das Richtige. Ich habe erkannt, dass für mich Autonomie einen unglaublich hohen Stellenwert hat. So hat sich dann die Idee mit der Selbständigkeit entwickelt.

Aber wie habe ich das damals herausgefunden?

Neuorientierung im Job: Tipps für die strategische Risikominimierung

Was mache ich, wenn der neue Beruf doch nicht passt? Für mich war damals die Horrorvorstellung, dass ich viel Zeit und Geld in eine berufliche Neuorientierung investiere, alles auf eine Karte setze und dann feststelle: „Oh, oh, der Job ist es doch nicht! Das habe ich mir doch alles anders vorgestellt.“

Und so geht es auch meinen Klienten. Sie können oder möchten nicht ihren gut bezahlten, sicheren Job aufgeben für eine Idee, von der sie noch nicht wissen können, ob sie das hält, was sie sich davon versprechen.

Ich zeige dir hier, wie ich im Coaching vorgehe, wenn jemand zu mir sagt: „Ich will mich beruflich umorientieren. Am liebsten würde ich etwas ganz anderes machen.“

Wer bin ich?

Zunächst geht es einmal darum, dich wirklich gut kennenzulernen. Denn schließlich soll der neue Beruf ja auch gut zu dir passen. Und dazu musst du wissen, wie du als Person „tickst“.

  • Wir schauen auf dein (Berufs-)Leben zurück. Wo hast du berufliche Zufriedenheit erlebt und was genau hat dich unzufrieden gemacht?
  • Wir schärfen dein Persönlichkeitsprofil: Wie schätzt du dich ein hinsichtlich Risikobereitschaft, Anpassungsfähigkeit, Kritikbereitschaft, Sprachgewandtheit usw.
  • Wir schauen darauf, welche Präferenzen und Bedürfnisse du hast. Welche Bedingungen du brauchst du, damit du zufrieden bist. So hast du nachher eine Reihe von Kriterien an der Hand, mit deren Hilfe du gut entscheiden kannst, ob ein Job oder Arbeitgeber zu dir passt.

Was kann ich?

Wenn du in deinem Job deine Stärken nutzen kannst, dann gibt dir das Energie. Und umgekehrt: wenn in deinem Job deine Stärken nicht gefragt sind, dann musst du viel Kraft aufbringen, um es in den gegebenen Strukturen auszuhalten. Ist logisch, aber in unserer defizitorientierten Leistungsgesellschaft kennen wir meistens sehr gut, was wir alles nicht können und wo unsere Schwächen liegen.

Über unsere Stärken und Kompetenzen zu sprechen, fällt uns eher schwer. Für eine erfolgreiche berufliche Neuorientierung ist es jedoch wichtig, dass du weißt, wo deine Talente liegen, was deine Stärken sind, was du an Wissen und an Kompetenzen mitbringst.

Wir schauen uns an

  • Was du ganz besonders gut kannst
  • Welche Stärken du dafür nutzt
  • Welche Erfolge du damit erzielt hast
  • Welche Kernkompetenzen du mitbringst
  • Über welche Zukunftskompetenzen du verfügst

Was will ich?

Nur wenn du ein genaues Bild davon hast, was dir wichtig ist und was du möchtest, kannst du auch eine fundierte Entscheidung treffen. Wenn du Klarheit darüber hast, was du von deiner neuen Position und deinem neuen Arbeitgeber erwartest, dann kannst du auf Augenhöhe in die Vorstellungsgespräche gehen und gut für dich verhandeln.

Am Ende dieses Schritts hast du dich damit beschäftigt:

  • Was dir im Leben und im Beruf wichtig ist
  • Was dich im Leben antreibt
  • Wie für dich ein perfekter Arbeitstag aussieht

Berufliche Wunschoption entwickeln

Nachdem du dich intensiv mit deinem Persönlichkeits-, Stärken- und Kompetenzprofil beschäftigt hast, geht es jetzt daran, möglichst viele Ideen zu entwickeln, was du beruflich damit machen könntest.

Im ersten Schritt geht es darum, eine Menge an Ideen zu produzieren, wie du dich beruflich neu orientieren könntest. Das funktioniert besonderes gut, wenn du auch die Kreativität von anderen Menschen nutzt, denn das hilft dir, aus den eigenen Denkschleifen herauszukommen.

In einem zweiten Schritt prüfst du, ob du deine Kompetenzen, Stärken, Talente etc. in dieser Idee auch tatsächlich einsetzen kannst und sortierst deine Optionen in:

  • erfüllt viele meiner Kriterien
  • erfüllt zu wenige meiner Kriterien, die ich an meinen zukünftigen Job stelle
  • will ich überprüfen, da ich mir nicht sicher bin, ob meine Kriterien darin erfüllt werden

Prototyping: So findest du heraus, was zu dir passt

Prototyping kennst du vielleicht aus der Automobilentwicklung. Prototypen sind Modelle, die dir die Möglichkeit geben, ohne große Investitionen an Zeit und Geld deine Ideen auf Tauglichkeit zu prüfen. Und das geht auch mit deinen beruflichen Ideen. Und so kannst du vorgehen. Die Schritte, die ich im Folgenden beschreibe, steigern sich in der Intensität.

  • Informationen online und offline sammeln: Heute sind viele Informationen zu Berufen leicht zugänglich. Schon am Schreibtisch kannst du dir ein dezidiertes Bild von deiner Wunschoption machen.
  • Erstelle dir ein Modell deiner Idee: Sicher kennst du das aus Museen. Bevor Kuratoren Ausstellungskonzepte in die Realität umsetzen, bauen sie ein Modell. Sie kombinieren Wände und Ausstellungsstücke und schauen, ob alles zusammenpasst. In den ersten drei Schritten „Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich?“ hast du viel über dich selbst erfahren. Passt das mit den im Job gegebenen Rahmenbedingungen zusammen? Das Ganze als 3D Modell zu bauen, hilft dir, einen greifbaren Eindruck von der Passung zu bekommen.
  • Sparringspartner suchen: Manchmal ist es hilfreich die Hirne anderer anzuzapfen, denn wir neigen dazu, in immer der gleichen Denkrille unterwegs zu sein. Deshalb mache ich die berufliche Neuorientierung auch gerne im Gruppenformat. Denn in einer Gruppe entstehen immer viele und tolle Ideen. Du wirst versorgt mit Informationen, Feedback und vielleicht auch Kontakten. So kannst du richtig Fahrt aufnehmen.
  • Menschen interviewen, die schon da sind, wo du hinwillst: Hier hast du die Chance, Informationen aus erster Hand zu bekommen. Du erfährst, was das reizvolle an dem Beruf, an deiner angestrebten der Position ist, aber auch, was problematisch sein kann. Du erfährst etwas über Zugangswege, notwendige Qualifikationen und wenn du Glück hast, bekommst du super Tipps, wie du vorgehen kannst und wer dir helfen kann. Übrigens: Wer ein gutes Netzwerk hat, ist hier klar im Vorteil.
  • Hospitation: Wenn du mal einige Tage deinen Wunschjob in Form einer Hospitation erleben kannst, dann bekommst du einen tiefen Eindruck davon, was dich erwartet, wenn du dich für einen beruflichen Neustart, einen Quereinstieg
  • Praktikum: Die nächste und intensivere Form, deinen Eindruck zu vertiefen, ist ein (mehrwöchiges) Praktikum. Im Praktikum kannst du dich selbst ausprobieren. In einer Hospitation läufst du in der Regel nur mit und schaust dir das Aufgabenspektrum an.
  • Nebenbei-Projekt: Wenn du sicher bist, dass du deine berufliche Option weiterverfolgen willst, aber die Sicherheit deines aktuellen Jobs nicht aufgeben möchtest, dann verfolge deine Idee doch zunächst nebenberuflich. Sollte sich deine Idee doch nicht als tragfähig erweisen, dann hast du nicht alles auf eine Karte gesetzt.
  • Sabbatical: Um für eine längere Zeit in deine Idee einzutauchen und zu überprüfen, bietet sich an, eine längere Auszeit zu nehmen. So kannst du wirklich abchecken, ob deine neue berufliche Ausrichtung mit deiner Familie vereinbar ist und ob sich das finanziell darstellen lässt. So lebst du deine berufliche Neuorientierung auf Probe und baust dir ein perfektes Sprungbrett, wenn du dich dafür entscheidest.

Das hört sich alles kompliziert und aufwendig an, aber es ist nicht notwendig, dass du alle Schritte durchläufst. Such dir zwei, drei heraus, die dir die größte Entscheidungshilfe bieten und leg los, probier dich in deinem Wunschjob aus.

Für die berufliche Neuorientierung gibt es übrigens drei wichtige Regeln, die ich dir auch noch mitgeben möchte:

  1. Scheitere so oft und so früh wie möglich.

Hört sich komisch an, aber beim Prototyping bzw. der beruflichen Neuorientierung geht es halt genau darum: Neues, Ungewohntes und Unbekanntes auszuprobieren. Es ist ganz normal, dass dabei auch Fehler passieren oder du Fehlentscheidungen triffst. Selbst aus der Erkenntnis, dass es so noch nicht passt, ziehst du wichtige Erkenntnisse und kannst deine Wunschoption weiter verfeinern. Und das Wichtigste: Je früher du scheiterst, desto besser. Dann ist der Invest an Energie, Zeit und Geld nicht so hoch.

  1. Action – not perfection

Prototypen sind immer unfertig, es sind Annäherungsversuche, Tests. Sie können und sollen ganz bewusst nicht perfekt sein. Der Fokus liegt auf der Umsetzung.

  1. Erst tun – dann denken

Ich weiß, das geht gegen alles, was wir so lernen. Aber im Prototyping geht es um die konkrete Erfahrung und nicht darum, etwas zu „durchdenken“. Im Tun erlebst du im wahrsten Sinne des Wortes, ob deine Annahmen stimmen. Der Kopf kann gar nicht alles im Vorfeld antizipieren. Es heißt ja nicht umsonst: Probieren geht über Studieren.

In Kürze biete ich übrigens ein Gruppen-Online-Coaching-Programm an.

[elementor-template id=“4957″]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Mehr zu Berufliche Neuorientierung: